LP 2013
Ein Debütalbum mit Geschichte
Der Churer Rapper Milchmaa, bürgerlich Goran Vulović, veröffentlicht am 30.08.2013 seine erste LP unter dem vielsagenden Namen „-ić“. Das Werk ist eine Auseinandersetzung mit Herkunft und Identität. Die serbischen Wurzeln Vulovićs und sein steiniger Werdegang vom Realschüler zum Geschichtslehrer im höheren Lehramt bieten Stoff für Charaktertexte.
2004 machte Milchmaa ein erstes Mal auf sich aufmerksam. Die EP „Balkan Troubles“ spielte musikalisch wie inhaltlich mit Klischees aus dem „Jugoversum“. Danach zog sich Milchmaa zurück in den Rap-Untergrund und ins Geschichtsstudium, realisierte mit der Podrum-Serie aber drei Street-EPs, die seinen Ruf als technisch hervorragender Battle-Rapper festigten.
2010 folgte mit „Jugo Tempo Ghettoblaster“ ein Gratis-Download-Projekt, das als Hommage an den jugoslawischen Turbofolk mit Remixes aus ebenjenem Genre aufwartete.
Daneben galt Gorans Leidenschaft immer schon der Improvisation, zusammen mit den versiertesten Freestylern der Schweiz gründete er die Freestyle-Convention, mit der er regelmäßig ausverkaufte, stark auf Entertainment ausgerichtete Shows spielt, u. a. im Zürcher Club Exil.
Während geraumer Zeit schon liegt der künstlerische Fokus Milchmaas auf einem Album. „-ić“ ist das Ergebnis langjähriger Planung und akribischer Detailarbeit. Dafür belohnte ihn seine Heimatstadt Chur mit einem Kulturförderpreis.
Aussagekräftige Texte
Die gesammelten Texte von „-ić“ beinhalten zwar immer noch Battleelemente, setzen sich aber wieder vermehrt mit Vulovićs Herkunft und seiner Identität als Secondo auseinander, diesmal allerdings auf reflektiertere Art als noch in den ersten Schaffensjahren. Die Probleme einer heimatlosen Gastarbeiterschicht, die ihren auseinander gebrochenen Vielvölkerstaat verklärt, kommen zur Sprache – und zwar auf „Khurertütsch“. Eingliederung und Nostalgie stehen im ständigen Widerstreit, bis sich die verschiedenen Einwanderergenerationen scheinbar nicht mehr viel zu sagen haben. Dabei offenbart Milchmaa nicht nur raptechnische Finesse, sondern Erzählsinn und EinfühlungsvermoÅNgen. Die eigene Biografie als gesellschaftlicher Aufsteiger spielt dabei eine prägende Rolle: Die Lehrstellensuche mit dem Namenssuffix -ić verlief frustrierend, Goran kämpfte sich deshalb in die Sekundarschule, ans Gymnasium und weiter an die Universität, um heute selbst Gymnasiasten und Gymnasiastinnen zu unterrichten.
Vielseitige Musikalität
Mit dem Produzententeam „Anemonen Entertainment“, mit Georg Gadient und Fäbs übernehmen langjährige Weggefährten Vulovićs die Verantwortung für den Beatteppich des Albums.
Kräftige Synthesizer und vertrackte Rhythmik wechseln sich ab mit Balkansamples und dunkler Tonalität. Da die verschiedenen Produzenten in regem Austausch standen, erklingt „-ić“ 15 Lieder lang als harmonisches, aber abwechslungsreiches Gesamtwerk, das ein breites Gefühlsspektrum abdeckt: die Wehmut der Balladen neben wütenden Battletracks, Wissensvermittlung neben alkoholschwangerer Festlichkeit. Ausserdem bereichern Gastrapper wie CBN, Vali (Breibild), King Fäbs oder die Churer Nachwuchshoffnung Ali den Longplayer, Sänger und Sängerinnen runden ihn ab.
Videos und Bonustracks
Im Rahmen des Albumreleases veröffentlichte Milchmaa zu mehreren Songs einen Videoclip. Den Anfang machte im Mai der Track „Todorova“. Inspiriert von der Historikerin Maria Todorova setzt der Bündner Musiker den Balkan in einen europäischen Zusammenhang: „Belgrad, Zagreb, Sarajevo – Europas Alter Ego.“ Die Clips zu „Aba“ und „Geld pflücka“ folgten in den Monaten darauf.
Da Milchmaa in der Entstehungszeit von „-ić“ nicht weniger als dreissig Songs aufgenommen hat, erwartet die Käuferinnen und Käufer des Albums eine besondere Überraschung. Dem Album liegt ein Code bei, der den kostenlosen Download weiterer 15 Songs erlaubt. Man erwirbt also zwei Alben in einem. Selbstverständlich sind auch die Downloads nach professionellem Standard gemischt und gemastert, also keineswegs als Ausschussware zu verstehen. Vielmehr zeigen sie Facetten auf, die den geschlossenen Rahmen eines Albums gesprengt hätten.